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Aus der Gründungsforschung #2: Interview mit Prof. Dr. Rolf Sternberg

Rolf-SternbergProf. Dr. Rolf Sternberg leitet derzeit das Institut für Wirtschafts- und Kulturgeographie an der Leibniz Universität Hannover. Einen seiner Themenschwerpunkte stellt dabei Entrepreneurship mit einhergehenden räumlichen Implikationen dar. Seit dem Jahr 2005 leitet er außerdem zusammen mit Udo Brixy das deutsche Länderteam des Global Entrepreneurship Monitors (GEM), das die deutschen Gründungsaktivitäten im internationalen Vergleich analysiert. Wir haben uns mit ihm über seine Einschätzungen des deutschen Gründungsgeschehens und die Verknüpfung von Hochschulen und Gründungen in Hannover unterhalten.

Herr Prof. Dr. Sternberg, im internationalen Vergleich ist die deutsche Gründungsquote sehr gering. Als ein Grund dafür wird bekanntlich der gute Arbeitsmarkt in Deutschland herangezogen. Konnten Sie mit dem GEM noch weitere Gründe für dieses unterdurchschnittliche Abschneiden aufdecken?
Der gute Arbeitsmarkt erzeugt relativ hohe Opportunitätskosten für Hochqualifizierte, abhängig Beschäftigte, so dass für diese Erwerbstätigen eine Gründung momentan kaum attraktiv ist. Daher liefert der Arbeitsmarkt schon ein starkes Argument, um zu begründen, warum zumindest „ambitious entrepreneurship“ in Deutschland aktuell relativ selten ist. Weitere Ursachen sind in der verglichen mit anderen Industrieländern zu wenig ausgeprägten Gründungskultur (z.B. unternehmerisch selbstständige Erwerbstätigkeit als selbstverständliche Alternative zur abhängigen Beschäftigung; fehlende Kultur des Scheiterns) sowie der weitgehenden Vernachlässigung, jedenfalls verglichen mit anderen Staaten, des Gründungsthemas und wirtschaftlicher Selbstständigkeit in Schulen und Hochschulen zu suchen. Diesbezüglich hat – auch – die Gründungs- und Wirtschaftspolitik in den letzten Jahren vieles versucht und auch manches erreicht, aber die Diskrepanz zwischen Deutschland und Ländern wie den USA, Australien, Israel oder selbst Großbritannien bleibt offensichtlich.

Für Studierende gibt es ja mittlerweile diverse Förderungsmöglichkeiten wie z.B. EXIST. Wie schätzen Sie generell die öffentliche Gründungsförderung in Deutschland ein, stellt auch diese einen Grund für die geringe Gründungsquote dar?
Nein, die öffentliche Gründungsförderung in Deutschland wird von vielen im GEM befragten Experten verglichen mit der Situation in vergleichbaren Ländern als komparative Stärke Deutschlands bezeichnet – und zwar seit Jahren. Diese Einschätzung teile ich. Es herrscht in Deutschland kein Mangel an öffentlichen Gründungsförderprogrammen. Höchstens wäre bisweilen statt Quantität etwas mehr Qualität und Originalität hilfreich. Mancherorts gibt es eher zu viel als zu wenig Programme, sodass eine Art Lotse oder Kompass bei der Suche im Förderdschungel helfen könnte. Insgesamt aber sieht es diesbezüglich in Deutschland recht gut aus. Ein Teil der Ursachen der geringen Gründungsbegeisterung lässt sich einfach mit politischen Maßnahmen nicht beeinflussen, zumindest nicht kurz- und mittelfristig.

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Wenden wir uns einmal den Gründerinnen und Gründern in Deutschland zu. Welche Motive treiben sie in die Selbstständigkeit?
Im GEM unterscheiden wir i.W. zwei Gründungsmotive: die Gründung als Weg, um eine eigene Idee umzusetzen, verbunden mit dem Wunsch, sein eigener Chef zu sein und unabhängig(er) arbeiten zu können (Opportunity-Gründer). Solche Gründer stellen in Deutschland, wie in allen anderen im GEM analysierten Industrieländern, deutlich die Mehrheit dar. Die zweite Gruppe gründet aus Mangel an (attraktiven ) Erwerbsalternativen, d.h aus der ökonomischen Not heraus. Das kann die Arbeitslosigkeit sein, das kann aber auch die Unzufriedenheit mit dem aktuellen Job sein. Gut 20% aller Gründungen entfielen 2016 in Deutschland auf dieses Motiv, ein im Vergleich der Industrieländer hoher Anteil an allen Gründungen.

Diese unternehmerische Gelegenheiten entstehen sicherlich auch häufig an Universitäten. Wie schätzen Sie aus Ihrer Erfahrung das Gründungsklima und -potential an der Leibniz Universität Hannover ein? Kann sie ein Motor für die Region Oldenburg/Hannover sein, die seit dem letzten Jahr immerhin auch als Startup-Hub geführt wird?
Das Potential an wissensintensiven Gründungen ist generell an Hochschulen höher als außerhalb solcher Forschungs- und Bildungseinrichtungen und in Deutschland besonders wenig ausgeschöpft, bei allerdings erheblichen Unterschieden zwischen Regionen und Universitäten. Die Fächerstruktur der jeweiligen Universitäten, bekanntlich sehr verschieden, spielt eine nicht unerhebliche Rolle. Während ich die Situation in Oldenburg zu wenig kenne, um sie seriös bewerten zu können (und zu wollen), scheint die Leibniz Universität Hannover (LUH) erkannt zu haben, dass an dieser Universität mit ca. 28.000 Studierenden und 3.000 WissenschaftlerInnen ein Gründungspotential schlummert, das bislang (zu) wenig ausgeschöpft wurde. Der neue Gründungsservice der LUH versucht mit großem Engagement und in Verbindung mit außeruniversitären Akteuren und Organisationen der Region Hannover diesen Schatz besser zu heben. Das Potential ist groß, nicht nur wegen einer in signifikanten Bereichen eigentlich gründungsaffinen Fächerstruktur – ich bin zuversichtlich, dass dies gelingen kann.

Interview: Marc Peus (Gründerimpuls)

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