Wir haben uns mit Constantin Alexander vom Projekt „Ihme Zentrum“ aus Hannover unterhalten und ihm 5 Fragen zu seinem Projekt gestellt. Constantin Alexander hat Politikwissenschaft und Amerikanistik in Hannover, Lyon und Istanbul studiert sowie Nachhaltigkeitsmanagement in Lüneburg. Seit 2015 arbeitet er als Berater für Nachhaltigkeit und politische Kommunikation für Unternehmen, Verbände und Privatpersonen. Im folgenden Interview erfahrt ihr, was sein Projekt „Ihme Zentrum“ genau macht, was das Besondere an dem Projekt ist und warum es ins Leben gerufen wurde!
Was genau ist das Ziel deines Projekts und was ist das Besondere daran?
Das Ziel ist eine nachhaltige und zukunftsfähige Stadt. Im Fokus steht das Ihme-Zentrum als potenzieller Leuchtturm. Dazu entwickele ich einen Transformationsplan nach dem Leitbild einer pragmatischen Nachhaltigkeit, der auch in den 2015 verabschiedeten Zielen der nachhaltigen Entwicklung (Sustainable Development Goals) der Vereinten Nationen festgelegt ist. Mein Projekt ist im Grunde genommen eine Art Prototyp für ein nachhaltiges Change Management. Die Basis ist eine wissenschaftliche Umweltanalyse, bei der die Stärken und Schwächen des Zentrums analysiert und für jedes Teilproblem eine nachhaltige Lösung gefunden wurde. Das Ihme-Zentrum lässt sich ökologisch und sozial umbauen, dadurch würden Lebensqualität und Wertschöpfung steigen. Die gesamte Region würde davon profitieren. Weil ich daran glaube, bin ich 2014 selbst ins Zentrum gezogen.
Wie sieht dein Idealbild vom Ihme-Zentrum aus?
In zehn Jahren ist das Ihme-Zentrum ein Symbol für die Kreativität und das Können der Region Hannover. Hier zeigt sich, was passiert, wenn sich Wirtschaft, Kultur, Sport und Soziales mit der Politik und der Bevölkerung zusammentun, um gemeinsam ein neues Wahrzeichen zu schaffen. Das Ihme-Zentrum wird der Grund sein für Menschen, nach Hannover zu ziehen und für Touristen, um hier Urlaub zu machen.
Konkret bedeutet das: Das Zentrum ist ein Smart-City-Pilotprojekt und versorgt sich und die umliegenden Stadtviertel als Plus-Energie-Quartier mit Strom aus erneuerbaren Energien. Im ehemaligen Einkaufszentrum sind neben Läden Bildungseinrichtungen, Sportstätten, Begegnungsorte, Ateliers, Proberäume Werkstätten, Co-Working- und Open-Spaces, Urban-Gardening-Projekte und eine Markthalle entstanden. Die Fassade ist bewachsen, Künstler aus der ganzen Welt haben sich hier ausgetobt, und ganz oben im Enercity-Hochhaus ist ein Ausflugslokal mit dem besten Blick der Stadt. Schon heute sind die meisten Wohnungen barrierefrei, das Viertel bietet damit beste Voraussetzungen für integratives und generationsgerechtes Wohnen.
Was waren die größten Schwierigkeiten auf die du bei der Arbeit an dem Projekt „Ihme Zentrum“ gestoßen bist?
Das Image des Ihme-Zentrums ist in weiten Teilen der Bevölkerung zu unrecht schlecht und weit weg von der Realität. Das repariere ich, indem ich die Fakten sammele. In der Theorie nennt man das: einen komplexes Problem auftauen. Ich führe deshalb einen Blog (www.ihmezentrum.org) und drehe derzeit mit einem Team aus Gleichgesinnten eine Dokumentation (www.startnext.com/ihmezentrum) im Stil des konstruktiven Journalismus. Anstatt nur die negativen Seiten zu beleuchten, wollen wir zeigen, welches Potenzial das Zentrum hat und das die Menschen sich wünschen, dass hier etwas passiert. Auch biete ich Rundgänge durch das Zentrum an: Im vergangenen Jahr habe ich das Zentrum bereits etwa 2.000 Personen gezeigt. Dabei zeigen mir die Reaktionen aus der Bevölkerung, aber auch von Unternehmen und der Politik, dass wir auf dem richtigen Weg sind.
In Hannover gibt es ja bekanntlich viele Bausünden. Wieso nimmst du dich ausgerechnet dem Ihme-Zentrum an und was findest du besonders gut am Standort Hannover?
Das Ihme-Zentrum ist keine Bausünde, es ist ein ungeschliffener Diamant. Es ist ein schlafender Riese, der nur darauf wartet, geweckt zu werden. Das Potenzial des Quartiers ist gewaltig. Es hat eine spannende Geschichte und steht symbolhaft für so manches, was in Stadtentwicklung, Wirtschaft und Politik schief geht, wenn man nur kurzsichtig agiert und die Zukunft ignoriert. Ein Abriss ist aus finanziellen, ökologischen und sozialen Gründen unmöglich, wir müssen also damit leben. Im jetzigen Zustand beträgt die Schadschöpfung des Zentrums fünf bis zehn Millionen Euro im Jahr. Geld, das die Stadt, aber auch die Bevölkerung verliert, weil das ehemalige Einkaufszentrum nicht funktioniert. Die Transformation hingegen ist realistisch und finanziell machbar.
Im Rahmen meiner Untersuchung habe ich zahlreiche Menschen kennengelernt, die mir gezeigt haben, dass ein Umbau, eine Revitalisierung möglich ist und die ganze Region davon profitiert. Diese Menschen machen für mich den Standort Hannover aus. Für mich ist das Projekt ja auch ein Experiment: Ich bin rund die Hälfte des Jahres beruflich außerhalb unterwegs, möchte aber langfristig hier bleiben, eine Familie gründen und alt werden. Doch nur, wenn ich das Gefühl habe, dass hier neue Ideen einen Platz finden, dass hier Menschen Neues ausprobieren dürfen. Dass die Menschen, die Akteure in Wirtschaft, Politik und Kultur nicht zynisch schnelle Lösungen für komplexe Probleme anbieten, sondern die Zukunft im Auge haben. Am Erfolg des Ihme-Zentrums-Projektes mache ich fest, ob ich hier bleibe oder mir einen anderen Ort suche.
Und wo geht es hin – Wo siehst du das Projekt in 5 Jahren?
In fünf Jahren ist das Ihme-Zentrum der Hauptgrund für die Ernennung Hannovers zur Europäischen Kulturhauptstadt 2025. Menschen aus der ganzen Welt kommen her, um sich anzuschauen, wie eine zukunftsfähige Stadtentwicklung gelingt und interdisziplinäre Zusammenarbeit funktioniert. Hannover wird weltweit berühmt, weil wir bewiesen haben, dass man nicht Milliardeninvestitionen braucht, um ein internationales Event nachhaltig auszurichten, sondern Leidenschaft, Kreativität und Kooperation.
„Das Ihme-Zentrum – Traum Ruine Zukunft“ Crowdfunding-Trailer from Ihmezentrum on Vimeo.
Hier könnt ihr das Projekt „Ihme Zentrum“ auf dem Weg zum Dokumentarfilm noch bis Ende Januar unterstützen.
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